Ziel war es, die Auswirkungen des Landschaftswandels auf die
Landschaftsfunktion der naturbezogenen Erholung zu untersuchen. Dazu wurde ein
Bewertungsverfahren entwickelt, mit dem das Potential der Landschaft für eine
naturbezogene Erholung anhand von sechs Parametern zu Naturnähe und
Abwechslungsreichtum bestimmt werden kann.
Die Ergebnisse zeigen,
dass sich die stattgefundenen Veränderungen sowohl der Flächennutzungen als auch
der Landschaftsstrukturen stark auf den potentiellen Erholungswert der Landschaft
auswirken.
Als Folge der zunehmenden Zersiedlung und allgemeinen Belastung der Landschaft ist die Notwendigkeit der Erhaltung und Entwicklung von Landschaften als Erholungsraum vom Gesetzgeber zu einem erklärten Ziel geworden. Von den unterschiedlichen Erholungsformen werden jedoch verschiedene Ansprüche an die Landschaft gestellt. Hier wurde eine Einschränkung auf das Landschaftspotential für eine naturbezogene Erholung vorgenommen, da es sich um eine Nationalparkregion handelt in der diese Erholungsform im Vordergrund stehen sollte. Die Bewertung stützt sich dabei auf die natürlichen bzw. naturnahen Landschaftselemente und berücksichtigt somit die Eignung für Erholungsaktivitäten wie Spazierengehen oder Wandern. Gerade die naturbezogene Erholung steht für eine Regenerierung der physischen und psychischen Kräfte. Während für die physische Erholung Ruhe und das Bewegen an der frischen Luft in natürlichen unzerschnittenen Landschaften von Bedeutung ist, verlangt die psychische Erholung nach geistigen Anregungen bzw. Ablenkungen, hauptsächlich durch vielfältige, naturnahe und charakteristische Landschaftsbilder und Blickbeziehungen.
Bedacht werden muss außerdem, dass die Bewertung für die Flächennutzungsdaten aller Zeitschnitte erfolgen soll. Zwar schreibt KIEMSTEDT (1967), dass der Begriff Erholung in der vorindustriellen Epoche (vor dem 19. Jh.) noch nicht existierte, wodurch die Beurteilung der Eignung einer Landschaft für eine spezifische Erholungsform (z.B. Radfahren) über den gesamten Zeitraum nicht sinnvoll erscheint. Da naturbezogene Erholung jedoch im Wesentlichen in Abhängigkeit von den Merkmalen Naturnähe und Abwechslungsreichtum betrachtet und auf der Basis natürlicher/naturnaher Landschaftselemente bewertet wird, ist eine Bestimmung für alle Zeitschnitte zulässig. Dabei wird davon ausgegangen, dass die einzelnen Flächennutzungsänderungen in ihrer Gesamtheit zu einer Veränderung des Erholungswertes führen (kumulative Wirkung).
Naturnähe und Abwechslungsreichtum werden als hauptsächliche Merkmale naturbezo-gener Erholung angesehen. Parameter zur Inwertsetzung dieser Merkmale können sich auf das Relief und auf die Flächennutzung beziehen. Bei der Auswahl von Bewertungsparametern ist die Reliabilität (Zuverlässigkeit) und die Validität (Gültigkeit) der Parameter unbedingt zu gewährleisten. Mit der Anzahl der festgelegten Parameter steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Korrelationen zwischen diesen entstehen, die zur "Neutralisation" anderer Parameter oder zur einseitigen Verschiebung des Bewertungsergebnisses führen können. Somit soll die Auswahl der Bewertungsparameter unter der Maßgabe erfolgen, dass wenige Parameter die Gültigkeit des Bewertungsverfahrens erhöhen und Transparenz und Nachvollziehbarkeit gewährleisten. Bei der Festlegung der Bewertungsparameter wurde auch berücksichtigt, dass die Parameter ausschließlich mit Hilfe eines Geoinformationssystems berechnet bzw. das gesamte Bewertungsverfahren innerhalb eines GIS durchgeführt werden soll. Folgende Parameter wurden ausgewählt:
Der Natürlichkeitsgrad der Flächennutzungen bzw. der Bodenbedeckungen ist der Parameter, der die wesentliche Voraussetzung für eine naturbezogene Erholung bestimmt, denn ohne dem Vorhandensein natürlicher/naturnaher Landschaften ist eine Erholung basierend auf diesen nicht möglich. Zur Ermittlung des Natürlichkeitsgrades werden die Hemerobiestufen als Grad des menschlichen Einflusses genutzt. | |
Da städtische bzw. stark bebaute dörfliche Gebiete nicht von der Bewertung ausgeschlossen werden, dient der Parameter Freiraumanteil zur Klassifizierung und Abwertung dieser, indem er den Anteil unbebauter Flächen angibt. Demnach weist ein niedriger Freiraumanteil auf ein geringes Potential für eine naturbezogene Erholung hin, während ein höherer Freiraumanteil auch eine Erhöhung der wahrgenommenen Naturnähe bedeutet. | |
Mit dem Randeffekt wird ein Parameter in die Bewertung übernommen, der gut geeignet ist, um zum einen die Naturnähe, zum anderen aber auch den Abwechslungsreichtum einer Landschaftseinheit zu beurteilen. Die positive Wirkung der Gewässer- und Vegetationsränder für die naturbezogene Erholung ist dabei unumstritten, da z. B. Veränderungen der Lichtverhältnisse, besondere Übergangsvegetationen und visuelle und geistige Anregungen durch sich neu ergebende Aussichten zu einer Erhöhung des Naturerlebnisses führen. | |
Bei der Flächenform handelt es sich ebenfalls um einen Parameter, der sowohl Naturnähe, als auch Abwechslungsreichtum einer Landschaft charakterisiert. Er wird mit Hilfe des Landschaftsstrukturmaßes Shape Index berechnet und bezieht sich auf die Komplexität der Flächen bzw. den unregelmäßigen Verlauf der Ränder (Abb. 1). Es wird davon ausgegangen, dass eine höhere Komplexität gewissermaßen den Eindruck ungestörter Flächenausbreitung und damit Naturnähe vermittelt und zudem der unregelmäßigere Randverlauf für mehr Abwechslungsreichtum sorgt. | |
Zur Vielfältigkeit der Landschaft und dem sich daraus ergebenden Abwechslungsreichtum für den Menschen trägt das Relief im entscheidenden Maße bei. Grund dafür ist die gliedernde und abgrenzende Wirkung des Reliefs, die zu einem zusätzlichen "Spannungsmoment der verborgenen Überraschungen" führt. Entgegen der oftmals angewandten Auffassung, dass die Reliefenergie als alleinige Größe zur Bestimmung der Vielfältigkeit des Reliefs ausreichend ist, erfolgt die Ermittlung der Reliefdiversität mit Hilfe von Reliefklassen, welche durch die Reliefeigenschaften Hangneigung, Exposition und Wölbung gebildet werden. | |
Der Parameter Überblick soll das Potential der Landschaft zur Gewährung von Aussichten ermitteln. Neben der allgemeinen Erhöhung des Abwechslungsreichtums wirken sich Aussichten bzw. mögliche Überblicke für die naturbezogene Erholung insofern positiv aus, als dass sie einerseits durch sich neu ergebende Blickbeziehungen zum Erkunden und Interpretieren der Landschaft anregen, andererseits der Orientierung helfen und somit ein Gefühl der Sicherheit liefern. Der Überblick wird dabei in Abhängigkeit vom Relief und der Flächennutzung bestimmt. Hinter der Berechnung des Überblicks steht in erster Linie eine Sichtbarkeitsanalyse. |
Jedes Landschaftsbewertungsverfahren, das auf der Erfassung der Landschaftselemente und deren
räumlichen Anordnung basiert, verlangt nach der Festlegung von räumlichen Bezugseinheiten einer höheren
Betrachtungsebene als die Elemente selbst. Als Bezugssystem wurde daher ein Quadratrasternetz mit einer
Rasterweite von 250 m verwandt. Die Vorteile liegen unter anderem in der direkten Vergleichbarkeit mehrerer
Bezugseinheiten und in der relativ unproblematischen Lokalisierung und Adressierung der Einheiten in Bezug auf
die Umsetzung der Bewertung mit einem GIS.
Bei der Auswahl eines Verfahrens zur Aggregation der Parameter zu einem Wert pro Bezugseinheit wurde zum einen
Wert auf eine einfache Umsetzung und Nachvollziehbarkeit gelegt, zum anderen versucht Subjektivität, sei es
durch Gewichtung einzelner Parameter oder durch inhaltliche Interpretation ermittelter Klassen, weitestgehend
auszuschließen.
Im Hinblick auf eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse und die Transparenz des Verfahrens wurde deshalb eine
einfache Addition der Parameterwerte durchgeführt. Mit der vorhergehenden Normierung der Parameterwerte auf
den Wertebereich 0 bis 1 werden die mit unterschiedlichen Maßeinheiten und Wertebereichen ausgestatteten
Parameter zu dimensionslosen Nutzengrößen umgerechnet, wodurch eine Wertaggregation durch Addition erfolgen
kann.