Die Landschaftszerschneidung durch Infrastruktur wie Strassen und Bahnlinien, aber auch durch die Zunahme von Wohn- und Gewerbegebieten hat innerhalb einer Landschaft enge funktionale Bezüge beispielsweise zur Erholungseignung, zur Verlärmung und zur Habitateignung für bestimmte Tierarten. Der Grad der Landschaftszerschneidung ist damit ein wichtiger Indikator für den Zustand einer Landschaft. Am Beispiel der Sächsisch-Böhmischen Schweiz erfolgte neben der Untersuchung der aktuellen Zerschneidungssituation eine retrospektive Betrachtung bis ca. 1900, so dass die Entwicklung der Landschaftszerschneidung in dieser grenzüberschreitenden Großschutzgebietsregion in den letzten einhundert Jahren aufgezeigt werden kann.
Als Datengrundlage zur aktuellen Situation wurden auf deutscher
Seite die ATKIS-Daten des Digitalen Landschaftsmodells (Stand 2000) verwendet,
während auf tschechischer Seite Vektordaten des Verkehrs- und Wegenetz
des militärgeographischen Dienstes (DMU) zur Verfügung standen.
Fehlende Daten, Attributierung und notwendige Ergänzungen wurden auf
der Grundlage von Topographischen Karten im Maßstab 1: 10 000 bzw. 1:
25 000 nachdigitalisiert.
Zur Erfassung der historischen Situation standen für die Zeitschnitte
um 1900 und 1940 Messtischblätter (MTB, 1:25 000) und Karten des Deutschen
Reiches (KDR, 1:100 000) in digitaler, georeferenzierter Form zur Verfügung.
Die Digitalisierung eines Vektordatensatzes des Verkehrsnetzes aus den historischen
Karten erfolgte mit der Methode des zeitlich rückwärtigen Editierens.
Beim Verkehrsnetz wurde zur Berücksichtigung unterschiedlicher Barrierestärken
zwischen zwei verschiedenen Ebenen des Verkehrsnetzes unterschieden. Während
die Ebene "Gesamtverkehrsnetz“ alle Straßen und Bahnlinien
enthält, wurde dem Hauptverkehrsnetz die aktuellen Kategorien Bundes-,
Staats- und Kreisstraße sowie mehrgleisige Bahnlinien zugeordnet. In
den historischen Zeitschnitten entspricht dies den damaligen Reichsstraßen
und Straßen der Klasse IA und den mehrgleisigen Bahnlinien.
Weiterhin wurden Siedlungsflächen mit einer Gesamtgröße über
1 Hektar, Gewässerflächen und Flüsse berücksichtigt.
Zur Quantifizierung der Landschaftszerschneidung sind die Zerschneidungsmaße Anzahl und Größe Unzerschnittener verkehrsarmer Räume (UVR)
sowie die effektive Maschenweite (meff) am weitesten verbreitet. Die effektive
Maschenweite wird in km² gemessen. Geringe Werte zeigen eine starke Landschaftszerschneidung
an.
Die grenzüberschreitende Nationalparkregion der Sächsisch-Böhmischen Schweiz ist mit einer effektiven Maschenweite von 71,28 km2 (unter Einbezug des Hauptver-kehrsnetzes) relativ gering zerschnitten. Demgegenüber steht die Ebene des Ge-samtverkehrsnetzes mit einer effektiven Maschenweite von 25,90 km2. Eine separate Betrachtung der beiden Landschaftsschutzgebiete Sächsische und Böhmische Schweiz zeigt signifikante Unterschiede auf. Das tschechische Schutz-gebiet ist mit einer effektiven Maschenweite von 27,86 km2 (beim Gesamtverkehrs-netz) wesentlich geringer zerschnitten als das deutsche Pendant mit nur 8,20 km2. Auf Ebene des Hauptverkehrsnetzes fällt der Unterschied erheblich geringer aus. Demzufolge ist die insgesamt geringe Zerschneidung des Großschutzgebietes Elb-sandsteingebirge hauptsächlich auf den tschechischen Teil zurückzuführen.
Der Grad der Landschaftszerschneidung hat seit Ende des 19. Jahrhundert stark zugenommen. So hat sich unter
Berücksichtigung des Gesamtverkehrsnetzes von 1900 bis 2000 die effektive Maschenweite von
40,11 km2 auf 18,20 km2 mehr als halbiert
(Abb. 1). Betrachtet man die Ebene des Hauptverkehrsnetzes, so sind die verbleibenden Freiräume von
192,32 km2 auf 48,29 km2, also auf fast ein Viertel zurückgegangen.

Abb 1: Entwicklung der effektiven Maschenweite im Untersuchungsgebiet der
Sächsisch-Böhmischen Schweiz (Bearbeitung: S. Wolf).
Unzerschnittene Freiräume mit einer Flächengröße von über 100 km2 konnten im
deutschen Teil nur zum Zeitpunkt 1900 bei ausschließlicher Berücksichtigung des Hauptverkehrsnetzes ermittelt werden ( Tab. 1).
Bei den UVR mit mehr als 50 km2 wird in der Ebene des Hauptverkehrsnetzes die Notwendigkeit der
Angabe ihres Flächenanteils deutlich. Allein aus der Anzahl der UVR >50 km2 würde man
die starke Zunahme der Landschaftszerschneidung nicht erkennen können. Auf der Ebene "Straßen- und Schienennetz
(gesamt)" sind die bereits bei der effektiven Maschenweite (Abb. 1) deutlich gewordenen Unterschiede
zwischen den beiden Zeitabschnitten noch stärker. Während zwischen 1900 und 1940 kaum Unterschiede
bei den UVR >50 km2 zu erkennen sind, ist zwischen 1940 und 2000 das
völlige Verschwinden unzerschnittener verkehrsarmer Räume zu verzeichnen.
Tab. 1: Anzahl und größte Einzelfläche der der Unzerschnittenen Freiräume in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz (Bearbeitung S. Wolf).
| Zeit | Hauptverkehrsnetz | Straßen- und Schienennetz (gesamt) | |||
|---|---|---|---|---|---|
| UVR > 100 km2 | UVR > 50 km2 | UVR > 100 km2 | UVR > 50 km2 | ||
| 1900 | Anzahl | 4 | 1 | 4 | |
| größte Fläche in km2 | 412,4 | 118,5 | |||
| 1940 | Anzahl | 3 | 4 | 1 | 3 |
| größte Fläche in km2 | 410,7 | 163,0 | |||
| 2000 | Anzahl | 2 | 0 | 2 | |
| größte Fläche in km2 | 164,2 | 92,4 | |||
Betrachtet man die Entwicklung der Zahl unzerschnittener verkehrsarmer Räume auf Ebene des Hauptverkehrsnetzes, so halbieren sich diese von 1900 zu 2000 von vier auf zwei (UVR > 100 km2). Dabei nimmt vor allem deren Anteil an der Gesamtfläche deutlich ab (von 66 auf 25 Prozent), weniger jedoch deren durchschnittliche Größe. Entscheidend und den Ergebnissen der effektiven Maschenweite entsprechend ist dagegen die starke Abnahme des Anteiles der UVR an der Gesamtfläche von 1940 bis 2000. Unter Einbezug des Gesamtverkehrsnetzes fällt die Anzahl und Größe weitaus geringer aus. Finden sich um 1900 noch ein UVR über 100 km2 und vier UVR größer als 50 km2, so haben sich diese bis 2000 auf ausschließlich zwei unzerschnittene Räume über 50 km2 verringert.

Abb. 2: Entwicklung der Effektiven Maschenweite in den Landschaftsschutzgebieten (Landschaftsschutzgebiet Sächsische Schweiz links,
Landschaftsschutzgebiet Böhmische Schweizrechts)(Bearbeitung S. Wolf).
Das Ergebnis dieser Detailuntersuchung untermauert die bisherige Vermutung, dass die Landschaftszerschneidung grenzüberschreitend untersucht werden muss. Gerade in Grenzregionen befinden sich großräumig zusammenhängende unzerschnittene Freiräume. Durch Beschränkung bei der Ermittlung der UVR auf nur ein Staatsgebiet kann es zu gravierenden Falschaussagen der Zerschneidungssituation kommen. Erst durch grenzübergreifende Zerschneidungsuntersuchungen sind exakte Aussagen möglich.
Ein regional bedeutsames Ergebnis ist, dass die Entwicklung der Landschaftszerschneidung in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz innerhalb der letzten 100 Jahre auch in Schutzgebieten zu einer massive Abnahme der verbleibenden Freiflächen, insbesondere seit 1940, geführt hat.
Walz. U. (2005): Landschaftszerschneidung in Grenzräumen Sachsen und die Sächsisch-Böhmische Schweiz. GAIA 14(2): 171-174.
Walz, U.; Schumacher, U. (2005): Landscape Fragmentation in the Free State of Saxony and the Surrounding Border Areas. In: Hřebíček, J. & Ráček, J. [Ed.]: Networking Environmental Information. Proceedings of the 19 th International Conference “Informatics for Environmental Protection”. 754-758; Brno. - Download (PDF 811 kB)